Nachruf Ehrenbürger Walter Baumann

Walter Baumann 2020 beim Weipfadla in Dertingen - Foto: Sophie Oesterlein

Walter Baumann 2020 beim Weipfadla in Dertingen – Foto: Sophie Oesterlein

Die Bezeichnung „Urgestein“ ist im Zusammenhang mit seinem Namen häufig gefallen: Walter Baumann, Ehrenbürger von Dertingen, ist nun im Alter von 97 Jahren gestorben. Bis vor Kurzem war er mit klarem Verstand und regem Interesse seinem Heimatort, aber auch der Tagespolitik aufmerksam verbunden.

Bekannt wurde Walter Baumann in den vergangenen Jahren vor allem als Autor, dem es darum ging, die vielseitigen Erfahrungen und Erinnerungen eines langen Lebens für die Nachwelt festzuhalten. Immer wieder tauchte sein Gesicht in Zeitungsartikeln auf, aus denen man einen Einblick in seine vielseitigen Aktivitäten erhalten konnte.

Geboren wurde Walter Baumann am 16. Mai 1924 in Dertingen. Obwohl der Pfarrer ihm den Wechsel aufs Gymnasium empfohlen habe, sei er in die Fußstapfen des Vaters getreten und Landwirt geworden. Drei Tanzveranstaltungen im Jahr habe es in Dertingen gegeben, auf die hin man gefiebert und anschließend noch lange darüber gesprochen habe, schilderte Baumann seine Kinder- und Jugendzeit.

1942 wurde er zur Wehrmacht eingezogen. Seine Kriegserlebnisse bis zur Entlassung aus amerikanischer Kriegsgefangenschaft 1945 fasste er anschaulich im Buch „Erinnerungen an Jugend- und Kriegsjahre“ zusammen. Der Leser erhält einen sehr persönlichen Einblick, welche Schrecken des Zweiten Weltkriegs auf der Grundlage von Notizen in seinem Taschenkalender geschildert werden.

1947 heiratete er Marie Baumann, geb. Diehm, mit der er 2017 das Fest der Gnaden-Hochzeit begehen durfte. Aus der Ehe gingen ein Sohn und zwei Töchter hervor.
Die Anfangsjahre in der eigenen Landwirtschaft schilderte Walter Baumann als entbehrungsreich: Wohlstand habe es nicht gegeben und Orangen habe man nur vom Sehen gekannt.

Der Weinbau habe in den 1950er Jahren zu einem Zusatzverdienst bei vielen landwirtschaftlichen Betrieben in Dertingen geführt, so auch bei ihm. Ab 1953 war er als Vorsitzender der Rebflurbereinigung „Dertinger Mandelberg“ maßgeblich am Ausbau der Weinlage beteiligt. Walter Baumann war Gründungsmitglied der Winzergenossenschaft und noch lange nach seinem Renteneintritt 1989 aktiv im Weinberg tätig. Seine lebenslange Verbundenheit zum Weinbau brachte er in vielerlei Weise zum Ausdruck. In einem Buch blickte er auf „Die Geschichte des Weinbaus“ in Dertingen zurück. Gedichte, Geschichten, Trinksprüche, Lieder und Gedanken zum Wein, die er eigenen Angaben zufolge in 664 Weinproben zum Besten gab, fasste er im Buch „Dort wo an Hängen wächst der edle Wein“ zusammen.

Mit Unterstützung seines Sohnes Herbert verfasste der Verstorbene noch 2020 und im vergangenen Jahr „Fränkische Dorfgeschichten“ zum Leben und Brauchtum in Dertingen. Der Anhang des Buches ist gefüllt mit selbst komponierten Liedern und Melodien, in Notenschreibweise für das von ihm gespielte „Schifferklavier“.
Das gesellschaftliche Miteinander im Ort sowie das Vereinsleben waren Walter Baumann ein großes Anliegen, was aus seinen zahlreichen Aktivitäten deutlich wird. 1951 wurde er Gemeinderat der damals selbstständigen Gemeinde Dertingen. Nach der Eingemeindung 1972 blieben sein Rat und seine Meinung bis 1980 als Ortschaftsrat gefragt.

Bereits 1966 wurde er Ehrenvorsitzender des Wein-, Obst- und Gartenbauvereins, dessen Leitung er 16 Jahre innehatte. Für sein diesbezügliches Engagement erhielt er 1986 die Goldene Ehrennadel des Landesverbands für Obstbau, Garten und Landschaft.

1979 folgte der Ehrenvorsitz beim damaligen Männergesangverein Liederkranz, 1992 die Ehrenmitgliedschaft bei der Freiwilligen Feuerwehr.
1973 gehörte er zu den Mitbegründern des weit über die Ortsgrenzen bekannten Dertinger Weinfests.
Zu seinem 80. Geburtstag wurde sein gesellschaftliches Engagement 2004 mit der Ehrenbürgerwürde seines Heimatorts Dertingen gewürdigt.

Bis ins hohe Alter besuchte er Vereinsversammlungen, öffentliche Sitzungen des Ortschaftsrats sowie Gemeindeversammlungen der Kirchengemeinde. Aufgrund seines Alters, seiner Erfahrungen und der Lebensleistung hatte sein Wort Gewicht und regte immer wieder zum Nachdenken an. Bis zu den Einschränkungen durch die Pandemie war für Walter Baumann der Seniorenkreis ein willkommener Anlaufpunkt für den Austausch, die Begegnung und das gesellige Beisammensein bei Gedichten und Liedern.

Auf den von Nadine Strauß herausgegebenen Dialekt-Hörbüchern bleiben seine Stimme und sein Humor der Nachwelt erhalten, wenn er von der aufregenden Konfirmation 1939 berichtet oder vom täglichen Ritual des Hühnerfütterns.

Mit Walter Baumann verliert Dertingen einen wichtigen Zeitzeugen, der die Ortschaft in vieler Hinsicht geprägt und vorangebracht hat.

Steffen Baumann